Prof. Milko Kersten, Präsident des Sächsischen Musikrates (SMR)

Milko Kersten (54) Der gebürtige Berliner war Kruzianer und studierte an der HfM Dresden Dirigieren und Klavier. Seit 1996 hat er dort einen Lehrauftrag. Leiter des Dresdner Jugendsinfonieorchesters am Heinrich-Schütz-Konservatorium ist Kersten seit 1997, sowie seit 2000 künstlerischer Leiter des Landesjugendorchesters Sachsens, dirigierte u. a. die Dresdner Philharmonie und arbeitete mit verschiedenen Orchestern im In- und Ausland. 2019 wurde er zum Präsidenten des Sächsischen Musikrates gewählt. | © Robert Jentzsch
Die Schönheit der Dissonanz (auflösungsbedürftige Tonkombination)
Der Sächsische Musikrat ist ein dem Gemeinwohl verpflichteter Dachverband, welcher sich die Erhaltung der Vielfalt der Musikkultur, insbesondere in den Bereichen Amateur- und Jugendmusik und den Betrieb einer Landesmusik-Akademie in sächsischer Ausprägung zur Aufgabe gemacht hat. Kurzer notwendiger Ausflug: zu erinnern ist, dass das erste deutsche Reich 1871 leider nicht zuvörderst als sinnstiftender staatlicher Verfassungsort gegründet wurde, sondern stark auch das Ergebnis eines militärischen Triumphes über Frankreich gewesen ist – mit der bis heute nachwirkenden Folge der Spaltung von demokratischem und nationalem Empfinden.
Ein Problem des gegenwärtigen Europa. Ziel heutigen Wirkens wäre also das lebendige Gestalten einer deutschen Nationalität, die den Begriff nicht staatlich, sondern sprachlich-kulturell begreift. Wobei die Pflege von regionalen Traditionen, das geltend machen überlieferter Fertigkeiten und Bräuche, also eine Volkskultur in der Nationalkultur aufgeht. Ein gedeihliches nationales sächsisches Kulturschaffen kann unmöglich, wie jedes andere auch, sich den Zwängen einer Uniformierung beugen, will es nicht verarmen.
Universell soll es sein, auf das Gemeinsame zielend, welches Geborgenheit gibt. Kunst und Lehre müssen frei sein – Vernunft ist nicht zu befehlen, ihr darf und muss durchaus mehr zur Geltung verholfen werden.
Die Umstellung der deutsch-deutschen Kulturlandschaft nach 1990 kam einer Sturzgeburt gleich. Eine Geringschätzung der in Ostdeutschland entstandenen Kultur, Verbannung der Kunst dieses Landes aus den Museen, der Bücher aus den Regalen und der Musik aus den Konzertsälen des Westens wie des Ostens war ein vermeidbarer Prozess. Die Auswirkungen dieser pauschalisierenden Nichtanerkennung machen sich bis heute schmerzlich bemerkbar.
Das Vertrauen, eigene kulturelle Leistungen als Ressource zu verstehen, muss erst wieder gestärkt werden. Stärkung meint hier allerdings nicht erhöhte Laut-Stärke, zu der uniforme Masse fähig ist. Das denkfaule Uniforme, das nach Identitärem Rufende ist im Prozess demokratisch-polyphoner Satztechnik falsch am Platz, es ist kein gewinnbringender Kontrapunkt sondern lediglich gehörschädigend.
Kultur verändert sich ständig und darin liegt ihre Stärke und Chance.
Die Arbeit des Sächsischen Musikrates soll und wird ermutigen, immer wieder dem Vereinfachenden, dem bequemen Uniformen zu widerstehen und Differenzierung, Vielfalt und Widerspruch als bereichernd zuzulassen und zu erleben und zu befördern.
Es lebe die Emanzipation der Dissonanz!
Ihr Milko Kersten