X-mal am Tag wollen wir wissen, wie spät es ist – und eine Uhr zeigt es uns
Ob Peter Henlein (1479-1542) wirklich die erste tragbare Uhr erfunden hat, werden wir vielleicht nie herausfinden. Was wir aber genau wissen, ist die Geschichte der Glashütter Uhrenindustrie: Als im Dezember 1845 ein gewisser Ferdinand A. Lange (1815-1875), von Beruf Uhrmachermeister, dort mit 15 Lehrlingen mit der Produktion von Taschenuhren begann, ahnte keiner, dass damit das eigentlich beschauliche Städtchen mal Weltruhm erlangen würde. Über 450 Exponate – nicht alles sind Uhren – dokumentieren auf rund 1.200 Quadratmetern im 2008 eröffneten „Deutschen Uhrenmuseum Glashütte – Nicolas G. Hayek“ Zeitgeschichte. Das Museum befindet sich im ehemaligen Gebäude der Deutschen Uhrmacherschule. Im Foyer empfängt den Besucher die monumentale astronomische Kunstuhr von Hermann Goertz. Sie ist aus sage und schreibe 1.756 Einzelteilen zusammengesetzt, hat einen ewigen Kalender und astronomische Anzeigen. Wow, welch ein Unterschied zu digitalen Zeitanzeigern! Die illuminierte Wendeltreppe hat 24 Stufen – kein Zufall: Der Tag hat 24 Stunden. Die Räume präsentieren sich modern, übersichtlich und es gibt viel zu entdecken.
Von 1878 bis 1951 absolvierten 2.500 Lehrlinge, darunter nur wenige Mädchen, die Schule. Besonders interessant finde ich, dass alle während der dreijährigen Lehrzeit eine Uhr ihrer Wahl bauen mussten. Wie hat bloß Eva Fitkau, die von 1930 bis 33 hier lernte, das Gangmodell eines Fliegenden Tourbillons zustande gebracht? Früher wurden die Exponate meist verkauft, erst ab 1882 durften die Schüler ihre Arbeiten behalten – und so landeten zum Glück einige im Museum.
Dazu gehören auch die originalen Arbeitsplätze: Die „Stifte“ im ersten Lehrjahr bekamen einen Platz im „dritten Licht“, sprich weit weg vom Fenster. Jedes Jahr wanderten sie eine Reihe vor zum Fenster. Ihr wichtigstes Werkzeug war die Feile, dann kamen Hammer, Schraubenzieher, Reißnadel, Winkel und Spiralzange hinzu. Neben praktischen Arbeiten stehen in der Schule vor allem Mechanik, Arithmetik, Geometrie, Physik und Theoretische Uhrmacherei, aber auch Deutsch, Englisch, Französisch, Buchführung und Sport auf dem Lehrplan. Im Historienraum „Jahre der Blüte“ ist dokumentiert, zu welcher Präzision und Perfektion es die Glashütter Uhrmacherkunst bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebracht hat. Und es wird über den Rand des Zifferblattes geschaut: Vieles ist eingebunden in andere Ereignisse und Erfindungen der damaligen Zeit.
Neben Schätzen der 20er und 30er Jahre, vielen und gut designten DDR-Produkten vom VEB GUB präsentiert sich auch die ganze Palette von Uhren von bezahlbar bis (unverschämt) teuer der heute dort angesiedelten Marken wie z. B. A. Lange & Söhne, Bruno Söhnle, Moritz Grossmann, Nomos, WEMPE, Nautische Instrumente Mühle. Zitate wie „Zeit heilt alle Wunden“ und das Ticktack der Metronome begleiten mich zum Ausgang. Und mir fällt der geniale Song „Zeit, die nie vergeht“ ein, den Michael Barakowski 1985 gesungen hat. Ich empfehle ihm mal einen Besuch des Uhrenmuseums …
-Regine Eberlein
Foto:
Ausstellungsansicht „Am Uhrmachertisch sein Können testen“ | © René Gaens
Sonderausstellung
„Mehr als Theorie und Praxis. Deutsche
Uhrmacherschule Glashütte 1878-1951“
noch bis 05.05.19
www.uhrenmuseum-glashuette.com
Tickethotline: 035053 – 46 12 102